Meine Freiheit: Ja! Deine Freiheit: Nein!
Meine Freiheit wird von der Verfassung garantiert,
deine hat bis jetzt nicht interessiert."
Georg Kreisler (1985)
In
den 1973, 1976 und 1979 erschienen gesammelten Schriften „Recht,
Gesetzgebung und Freiheit“ stellt der Ökonom Friedrich August von
Hayek seine Theorie der spontanen Ordnung von Wirtschaft und
Gesellschaft, der kulturellen Evolution und seine Annahmen über die
Gefährdung dieser Ordnung und der Demokratie dar.
Hayek
konzipiert in den uns vorliegenden Auszügen eine funktionierende
Marktwirtschaft als alternativlose spontane Ordnung, in der nicht
vorausgesagt werden könne, wie gut es bestimmten Gruppen oder
Individuen gehen wird. Jegliche Form von Eingriffe, vor allem aber
die Umverteilung von materiellen Ressourcen, oder der Versuch einer
zentralen Lenkung, „wo eine zum Zweck der Machtausübung
organisierte Gruppe es bestimmt“, stellen eine Bedrohung für eine
angebliche „Gesellschaft freier Individuen“ dar. (S. 204)
Die
Hauptgefahren gehen einerseits von Regierungen aus, die zugunsten von
Sonderinteressen bestimmten Gruppen Privilegien beziehungsweise
„diskriminierenden Wohltaten“ gewähren und sich so ihre
benötigte Mehrheit erkaufen und andererseits von
konstruktivistischen Interpretationen der Gesellschaft mit einem
verfehlten Verständnis von der Bedeutung des Begriffs Gerechtigkeit,
die er allen anderen voran, der Linken attestiert. Gleichzeitig
sollten aber z.B. Regierungen Kapital an Unternehmen verleihen, die
sie als vielversprechend ansehen. (S. 183)
Den
Gedanken der spontanen Ordnung überträgt Hayek auf die
Gesellschaft. Gesellschaft definiert er als „Vielheit von
gewachsenen und sich selbst erzeugenden Strukturen von freien
Menschen.“ Kulturelle Evolution als ein Prozess von Versuch und
Irrtum, in dem ständig neue Wege und Methode ausprobiert werden,
bringt folglich Verbesserungen und Fortschritt in entwickelten
Gesellschaften hervor, wobei schließlich eine Anpassung an sich
stets veränderte Bedingungen erfolgt.
Der
Staat bildet dabei jene notwendige Organisation des „Volkes eines
Territoriums unter eine Regierung“, der sich auf die Setzung von
erforderlichen Rahmenbedingungen zu beschränken hat, innerhalb
dessen „sich-selbst-erzeugende Ordnungen“ bilden (S. 191 f) und
die Individuen ihr Wissen für ihre eigenen Zwecken nutzen können.
Die Machtausübung einer Regierung solle sich daher auf das
Aussprechen von Verbote und deren Durchsetzung, notfalls mit Hilfe
von Zwang und Gewalt, konzentrieren, d.h. sie soll nur Regeln
negativen Charakters, die für alle ihrer Mitglieder zu gelten haben,
festlegen und von besonderen Zwecken unabhängig sind. Entsprechend
werden Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit negativ determiniert.
Jedoch räumt Hayek ein, das diese durchaus auch positiv besetzt
werden können und sich so zur „positiven Gewalt“ wandeln, wenn
diese sich „selbst erzeugende Ordnung“ durch menschliche oder
natürliche Kräfte gestört würden und so sich die Notwendigkeit -
z.B. Notstandsgesetze zu erlassen - ergebe. Ansonsten wäre
ausschließlich die Festlegung abstrakter Regeln wünschenswert, die
sich aus der „unabänderliche Unkenntnis jedes einzelnen Gebiets
oder jeder Ordnung, die menschlichen Handeln leiten kann,“ ergibt.
(S.179 ff)
Auch
Demokratie soll laut Hayek nur als negativer Wert definiert werden
und stelle eine Verfahrensregel dar, die zum Schutz gegen Despotismus
und Tyrannei diene. Diese Verfahrensregel beinhaltet lediglich die
Hervorbringung und Absetzung einer Regierung als Vorsichtsmaßnahme
gegenüber Machtmissbrauch und erlaube einen friedlichen Wechsel.
Ohne diese Konvention könne diese Regierung in schlechte Hände
fallen oder eine unbeschränkte Demokratie könne schlimmer als
beschränkte Regierung anderer Art sein. Demokratie - Zeit seines
Lebens - verdiene den Namen nicht mehr, da sie eine Maschinerie sei,
„in der nicht die Mehrheit entscheide, sondern in der jedes
Mitglied der Mehrheit zu vielen Bestechungen seine Zustimmung zu
geben hat, um die Mehrheitsunterstützung für seine eigene
Sonderinteressen zu erlangen.“
Und
da alles zur politische Frage beschworen werden könne, würde ein
immer größer Teil der menschlichen Aktivität von produktiven auf
politische Anstrengungen umgelenkt – und dies würde sich nur auf
die Maschinerie selbst beschränken, sondern schlimmer noch auf einen
Apparat der Nebenregierung. (S. 189) Diese Nebenregierung sei der
„schlimmste Inkubus“ der Druck auf Regierung ausübe und vor
allem sind die Aktivitäten antisozial, da die besten Leute beider
Seiten der „Sozialpartner“ mit der Aufgabe vertraut wären, die
jeweiligen Zielen des jeweils anderen zu vereiteln – anstatt eben
der produktiven Tätigkeit nachzugehen. Des weiteren sei die Position
und Druck ungleichmäßig verteilt, wobei den Gewerkschaften mehr
Macht zu gesprochen wird. So seinen Gewerkschaften dazu befähigt
worden, andere Arbeiter auszubieten, in den sie jene der Gelegenheit
„berauben“ würden, einer guten Beschäftigung nachzugehen oder
gar Arbeiter behindern, eine Arbeit zu erledigen, die sie gerne
täten. Aber um buchstäblich den „Schwarzen Peter“ den
Gewerkschaften zuzuschieben, sollen Tarife die ökonomische Ordnung
durch die „Notwendigkeit einer Inflation, vor die sie eine
Regierung stellen können, die die Geldmenge kontrolliert,“
zerstören. (S. 196) Hayek gesteht den Individuen maximal ein
bestimmtes einheitliches Minimaleinkommen zu, wenn die Dinge
gänzlich schief laufen, alle Ansprüche darüber hinaus, wie z.B.
Krankenversicherung oder die Sicherung relativer Einkommen
diskreditiert er als „diskriminierenden Zwang“ in einer
Gesellschaft freier Individuen. Die Erzielung von Einkünfte haben
nach den Spielregeln des Marktes zu erfolgen. Auch hier wird deutlich
das Hayek jeglichen Eingriff in die Wirtschaftsordnung entschieden
ablehnt. Das er Gesellschaft letztendlich mit der Wirtschaft
gleichsetzt, geht aus dem Satz hervor: „Die große Gesellschaft
kann nur eine abstrakte Gesellschaft sein - eine Wirtschaftsordnung,
von der der Einzelne profitiert, in dem er Mittel für seine Ziele
und der er seinen Beitrag leisten muss.“(S. 199)
Eine
weitere Bedrohung stellt die Bürokratie einer zentralen Regierung
dar, daher plädiert er für Verlagerung der Innenpolitik auf lokale
Regierungen bzw. eine dezentralisierte hierarchische Struktur nach
föderativen Prinzipien, in dem das Zwei-Kammer-System seine Funktion
dadurch erreicht, das einmal entsprechend der Anzahl der Köpfe und
einmal entsprechend der Anzahl der in der Zentralversammlung
repräsentierenden Staaten gestimmt würde. Als wünschenswert sieht
Hayek an, wenn sich die föderativen Regierungen auf die eigentliche
Regierung beschränken und nur jeweils eine legislative Versammlung
für die gesamte Förderation stattfindet. Außerdem wären zentrale
Regierungen aufgrund des Ausschlusses durch übernationale
Organisationen von Krieg in Europa keine Notwendigkeit mehr. (S. 182)
Diese
lokal und regionale Regierungen sollen sich zu quasi-kommerzielle
Unternehmen umwandeln, indem sie jeweils mit der angebotenen
Vorteilen und Kosten in den Wettbewerb um Bürger treten. Damit
könnte das einzelne Individuen in jenen Rahmen auch wieder Einfluss
auf die Formung seiner unmittelbare Umgebung ausüben. Hayek
unterstellt Menschen, das sie nicht rational Lage seien, ökonomische
Prozesse und dessen Ziele zu begreifen.
Des
weiteren plädiert er für die Privatisierung aller öffentlicher
Dienstleistungen, mit Ausnahme, dass das Monopol der Regierung
gewahrt werden muss, Recht zu erhalten und durchzusetzen und zu
diesem Zwecke eine bewaffnete Macht zu unterhalten.
Meiner
Ansicht nach stellt das Lied „Meine Freiheit, Deine Freiheit“ von
Georg Kreisler die kürzeste Zusammenfassung von Hayeks Theorie dar.
Die Rhetorik zur Verteidigung liberaler Grundwerte wie Freiheit und
Individualismus verdeckt im erstem Moment das es im primär um die
Partikularinteressen der Unternehmer geht und der Unterordnung der
Individuen, vor allem der Arbeiter, unter den Spielregeln des
Marktes. Auch die Erzielung eines Einkommens habe nach diesen
Spielregeln zu erfolgen, während es zur Pflicht der Regierung wird
zur repressiven Maßnahmen zu greifen, wenn z.B. von Gewerkschafter
gestreikt würde. Die Beschränkung der Regierung auf den Erlass und
die Durchsetzung von Verbote trägt somit massiv autoritäre und
repressive Züge, da ihr die Aufgabe zukommt, die Struktur des
Marktes als angeblich spontane Ordnung zu bewahren und vor allem die
Autonomie des Eingentürmers zu sichern. Entsprechend kann jede/r,
der entweder unter den Vorwand „soziale Gerechtigkeit“ z.B. für
gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit oder sich für jeweils die
Recht auf Unversehrtheit am Arbeitsplatz einsetzt, zufolge in einem
Kollektiv zusammenschließt, ins Visier staatlicher Zwangsmaßnahmen
geraten.
Antiaufklärerisch
wird diese Theorie, da sich diese spontane Ordnung durch kulturelle
Evolution - über hunderte Jahre - unbewusst entwickelt und damit
nicht verstanden werden kann und somit es unmöglich wird, diese
grundlegend zu verändern. Hayeks Theorie ist antiegalitär und läuft
schließlich auf das „Recht des Stärkeren“ hinaus. Noch
deutlicher geht dies aus einem geführten Interview von Stefan Baron
mit Hayek am 6. März 1981 hervor: „Ungleichheit ist nicht
bedauerlich, sondern höchst erfreulich. Sie ist einfach nötig.
Leider Gottes ist das Sozialprodukt nur da, weil Menschen nach ihrer
Produktivität entlohnt und dorthin gelockt werden, wo sie am meisten
leisten. Gerade die Unterschiede in der Entlohnung sind es, die den
einzelnen dazu bringen, das zu tun, was das Sozialprodukt entstehen
lässt. Durch Umverteilung lähmen wir diesen Signalapparat. Und
nicht nur das: Wir unterbinden auch die ständige Anpassung an sich
laufend verändernde Umstände, durch die allein die Wirksamkeit
unseres Produktionsapparates erhalten werden kann, Umstände, von
denen der einzelne nichts weiß, über die er nur durch den
Marktmechanismus informiert werden kann.“ Zugespitzt auf den
Nord-Süd-Konflikt argumentiert Hayek schließlich: „Sehen Sie, in
den nächsten 20 Jahren soll sich die Weltbevölkerung erneut
verdoppeln. Für eine Welt, die auf egalitäre Ideen gegründet ist,
ist das Problem der Überbevölkerung aber unlösbar. Wenn wir
garantieren, dass jeder am Leben erhalten wird, der erst einmal
geboren ist, werden wir sehr bald nicht mehr in der Lage sein, dieses
Versprechen zu erfüllen. Gegen die Überbevölkerung gibt es nur
eine Bremse, nämlich dass sich nur die Völker erhalten und
vermehren, die sich auch ernähren können.“
Eine
von meiner Kritik abweichende, jedoch nicht weniger zugespitzte
Kritik am Gesamtwerk F.A.v. Hayeks vertreten unter anderem Christoph
Butterwegge, Bettina Lösch und Ralf Ptak in ihrem Buch „Kritik des
Neoliberalismus“ (Wiesbaden 2007). Sie verweisen auf die
„konservativ-autoritären Züge des Ordoliberalismus“ und sehen
generell die Ordo- bzw. Neoliberalen in der Nähe zumindest
befristete Diktatur befürwortender Feinde der Weimarer Republik wie
Carl Schmitt. Hayek selbst verschleiere durch seine
„Selbstinszenierung als Hüter liberaler Werte“ den „autoritären
Charakter“ seiner Ausführungen. Sein Individualismus stünde
letztlich für Anpassung an, seine Vorstellung von Freiheit für
Unterwerfung gegenüber den Marktverhältnissen.
Autor: "lil"
Autor: "lil"
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