Im Jahre 2009 jedoch ist plötzlich alles anders. Ausgerechnet ein Thema aus dem schon allein durch den Lateinunterricht unbeliebtesten Segment der Geschichte, der Alten Geschichte, findet Interesse wie selten ein historisches Thema: Die Niederlage des römischen Feldherrn Varus im Jahre 9 unserer Zeitrechnung.
Gleich drei Ausstellungen samt umfangreichem museumspädagogischem Angebot bis hin zu erlebnispädagogischer Experimentalarchäologie, allesamt unter der Schirmherrschaft der Kanzlerin, befassen sich mit der „Schlacht im Teutoburger Wald“, flankiert von einer umfassenden Berichterstattung in den Medien.
Eine mögliche Erklärung findet das gegenwärtige Interesse an der Varusschlacht in der Umdeutung der Geschichte durch den deutschen Nationalismus und seine Vorläuferbewegungen seit der Renaissance. Aus dem römischen Offiziers Arminius, der Verrat begeht an seinen Mitstreitern und den Menschen, die ihn aufgezogen, ausgebildet und in den Ritterstand erhoben haben und aus deren Hand er die Aufgabe, römische Hilfstruppen zu führen übernahm, wird in ihrer Lesart ein aufrechter Held und Freiheitskämpfer, genannt „Herrmann der Cherusker“. Und aus dem von ihm zusammengewürfelten fragile Bündnis von einander feindlichen Völkerschaften, die von den Römern mit der Sammelbezeichnung „Germanen“ versehen wurden, wird in dieser Lügengeschichte die deutsche Nation, welche mit der „Herrmannsschlacht“ siegreich in die Geschichte eintritt.
Grund genug, auf eine Radiodokumentation hinzuweisen, die dem deutschen Nationalmythos Herrmann auf den Grund geht.
www.ard-mediathek.de/ard/servlet/content/2419392
weitere Informationen:
Varusschlacht-Abrechnung mit einem Mythos von Harald Eggebrecht
Tagung „Die Erfindung der Deutschen. Rezeption der Varusschlacht und die Mystifizierung der Germanen“ am 3. Juli 2009, Veranstalterin: Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln in Kooperation mit dem Römisch-Germanischen Museum Köln
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