Modernisierung - erste Erfahrungen nach sechs Monaten Mietrechts-"Reform"
WORUM GEHT ES?
Zum 1. Mai 2013 wurde das Mietrecht massiv geändert. Bis zuletzt
hatten MieterInnenvereine versucht, die negativen Auswirkungen zu stoppen. Aber Bundestag
und Bundesrat haben trotz vielfältiger Kritik, auch von juristischen ExpertInnen die
Gesetzesänderungen beschlossen. Neben einzelnen Änderungen, unter anderem bei
Räumungsklagen und deren Vollstreckung, gibt es vor allem wesentliche Änderungen bei der
Modernisierung. ---- Im neuen Mietrecht sind die Anforderungen an eine
Modernisierungsankündigung gelockert worden: So müssen jetzt die VermieterInnen vor Beginn
der Arbeiten den voraussichtlichen Umfang der Arbeiten nur noch "in wesentlichen Zügen"
mitteilen. Durch diese Einfügung werden die in der Vergangenheit oft strengen
Anforderungen der Gerichte an eine Modernisierungsankündigung abgemildert.
Wesentlich sind auch die Änderungen zur dem Einwand der sozialen Härte. Vor der
Gesetzesänderung konnten die MieterInnen die Duldung einer Modernisierung über den
ortsüblichen Standard hinaus verweigern, falls dies für sie eine soziale Härte darstellten
würde. Beispielsweise also wenn die voraussichtliche Gesamtmiete nach der Modernisierung
mehr als 30 % des Nettoeinkommens ausmacht und nicht durch soziale Leistungen kompensiert
wird.
Nun steht ihnen dieser Einwand erst gegen die auf den Abschluss der Arbeiten folgende
Mieterhöhung zu. Dieser Einwand muss zudem bis zum Ablauf des Folgemonats gegenüber den
VermieterInnen geltend gemacht werden. Den MieterInnen bleibt dann nur noch übrig, die
Mieterhöhung zu zahlen oder das Mietverhältnis zu kündigen. Quasi in letzter Minute wurde
eine Belehrungspflicht der VermieterInnen bzgl. dieser Frist in das Gesetz eingefügt.
WIE SIEHT DAS MOMENTAN PRAKTISCH AUS?
Die VermieterInnen machen sich diese Gesetzesänderungen zunutze, um die MieterInnen unter
Druck zu setzen. Die ersten Modernisierungsankündigungen seit der Reform, mit denen ich
als Anwältin konfrontiert wurde, umfassen eine Vielzahl von teuren und umfangreichen
Maßnahmen. In einem Haus sollen diese sogar zu einer Vervierfachung der Nettokaltmiete
führen! Auf den Einwand der sozialen Härte wurde den MieterInnen mitgeteilt, dass darüber
nach Abschluss der Maßnahmen eine Entscheidung ergehen würde. Die MieterInnen sollen also
in der Ungewissheit, welche Miete sie hinterher zahlen müssen, die Modernisierung dulden.
In diesen Fällen handelt es sich um massive Baumaßnahmen innerhalb der Wohnung, die weit
über ein Jahr andauern werden. Durch diese erheblichen Einwirkungen auf die Wohnqualität
spekulieren die VermieterInnen offensichtlich darauf, mit der doppelten Abschreckung durch
diese Baumaßnahmen und der angekündigten Mieterhöhung möglichst viele MieterInnen zu einem
Wegzug zu bewegen.
WAS KANN ICH TUN, WENN DER VERMIETER MODERNISIERUNGSMASSNAHMEN ANKÜNDIGT?
Allen, die eine Modernisierungsankündigung erhalten, kann nur ganz dringend geraten
werden, sich mit den NachbarnInnen zusammenzuschließen und von Anfang an, möglichst schon
bei einem bevorstehenden Eigentümerwechsel, rechtlichen Rat einzuholen. Hilfreich ist
dabei natürlich, wenn eine Mietrechtsschutzversicherung besteht, sei es über einen
MieterInnenverein oder eine Rechtsschutzversicherung (Wartefristen vor Versicherungsschutz
beachten!).
Es ist zunächst genau zu prüfen, ob die angekündigten Maßnahmen überhaupt eine
Modernisierung darstellen. Also ob sie entweder den Wohnwert verbessern, neuen Wohnraum
schaffen, Energie einsparen oder zu mehr Sicherheit führen. Auch die Erfüllung der
formalen Voraussetzungen, die der Gesetzgeber an eine Modernisierungsankündigung stellt
sind genau zu prüfen: die Nennung der Art der Maßnahme, des Umfangs, des Beginns, der
Dauer, des Betrags der zu erwartenden Mieterhöhung sowie der Änderung der Betriebskosten
sowie die Rechtzeitigkeit der Ankündigung.
Bis zum Ablauf des Monats, der auf die Zustellung der Modernisierungsankündigung folgt,
ist dem Vermieter (im Zweifel dem Absender der Modernisierungsankündigung) das Bestehen
von Härtegründen anzuzeigen. Das können neben der oben geschilderten finanziellen Härte
auch gesundheitliche Gründe, bevorstehende Prüfungen, eine Schwangerschaft oder
bevorstehende Entbindung sein. Eine gute rechtliche Beratung und idealerweise der
Zusammenschluss mit den NachbarnInnen bilden in dieser Phase des Mietkampfs eine wichtige
Rückenstärkung.
WO KANN ICH HILFE BEKOMMEN?
Solltest du von einer Modernisierung betroffen sein, ist es sehr wichtig, keine Zeit
verstreichen zu lassen. Lasse dich so schnell wie möglich von fachkundiger Stelle über die
rechtliche Einschätzung der Rechtmäßigkeit und zum weiteren Vorgehen beraten!
Ansprechpartner sind hier neben den lokalen FAU-Syndikaten RechtsanwältInnen für Mietrecht
sowie die MieterInnenvereine.
Carola Handwerg
Rechtsanwältin
Quelle: Direkte Aktion 220, Nov./Dez. 2013
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