Samstag, 4. Januar 2014

§§§-Dschungel

Modernisierung - erste Erfahrungen nach sechs Monaten Mietrechts-"Reform"

WORUM GEHT ES?
Zum 1. Mai 2013 wurde das Mietrecht massiv geändert. Bis zuletzt hatten MieterInnenvereine versucht, die negativen Auswirkungen zu stoppen. Aber Bundestag und Bundesrat haben trotz vielfältiger Kritik, auch von juristischen ExpertInnen die Gesetzesänderungen beschlossen. Neben einzelnen Änderungen, unter anderem bei Räumungsklagen und deren Vollstreckung, gibt es vor allem wesentliche Änderungen bei der Modernisierung. ---- Im neuen Mietrecht sind die Anforderungen an eine Modernisierungsankündigung gelockert worden: So müssen jetzt die VermieterInnen vor Beginn der Arbeiten den voraussichtlichen Umfang der Arbeiten nur noch "in wesentlichen Zügen" mitteilen. Durch diese Einfügung werden die in der Vergangenheit oft strengen Anforderungen der Gerichte an eine Modernisierungsankündigung abgemildert.

Wesentlich sind auch die Änderungen zur dem Einwand der sozialen Härte. Vor der Gesetzesänderung konnten die MieterInnen die Duldung einer Modernisierung über den ortsüblichen Standard hinaus verweigern, falls dies für sie eine soziale Härte darstellten würde. Beispielsweise also wenn die voraussichtliche Gesamtmiete nach der Modernisierung mehr als 30 % des Nettoeinkommens ausmacht und nicht durch soziale Leistungen kompensiert wird.

Nun steht ihnen dieser Einwand erst gegen die auf den Abschluss der Arbeiten folgende Mieterhöhung zu. Dieser Einwand muss zudem bis zum Ablauf des Folgemonats gegenüber den VermieterInnen geltend gemacht werden. Den MieterInnen bleibt dann nur noch übrig, die Mieterhöhung zu zahlen oder das Mietverhältnis zu kündigen. Quasi in letzter Minute wurde eine Belehrungspflicht der VermieterInnen bzgl. dieser Frist in das Gesetz eingefügt.



WIE SIEHT DAS MOMENTAN PRAKTISCH AUS?
Die VermieterInnen machen sich diese Gesetzesänderungen zunutze, um die MieterInnen unter Druck zu setzen. Die ersten Modernisierungsankündigungen seit der Reform, mit denen ich als Anwältin konfrontiert wurde, umfassen eine Vielzahl von teuren und umfangreichen Maßnahmen. In einem Haus sollen diese sogar zu einer Vervierfachung der Nettokaltmiete führen! Auf den Einwand der sozialen Härte wurde den MieterInnen mitgeteilt, dass darüber nach Abschluss der Maßnahmen eine Entscheidung ergehen würde. Die MieterInnen sollen also in der Ungewissheit, welche Miete sie hinterher zahlen müssen, die Modernisierung dulden. In diesen Fällen handelt es sich um massive Baumaßnahmen innerhalb der Wohnung, die weit über ein Jahr andauern werden. Durch diese erheblichen Einwirkungen auf die Wohnqualität spekulieren die VermieterInnen offensichtlich darauf, mit der doppelten Abschreckung durch diese Baumaßnahmen und der angekündigten Mieterhöhung möglichst viele MieterInnen zu einem Wegzug zu bewegen.

WAS KANN ICH TUN, WENN DER VERMIETER MODERNISIERUNGSMASSNAHMEN ANKÜNDIGT?
Allen, die eine Modernisierungsankündigung erhalten, kann nur ganz dringend geraten werden, sich mit den NachbarnInnen zusammenzuschließen und von Anfang an, möglichst schon bei einem bevorstehenden Eigentümerwechsel, rechtlichen Rat einzuholen. Hilfreich ist dabei natürlich, wenn eine Mietrechtsschutzversicherung besteht, sei es über einen MieterInnenverein oder eine Rechtsschutzversicherung (Wartefristen vor Versicherungsschutz beachten!).

Es ist zunächst genau zu prüfen, ob die angekündigten Maßnahmen überhaupt eine Modernisierung darstellen. Also ob sie entweder den Wohnwert verbessern, neuen Wohnraum schaffen, Energie einsparen oder zu mehr Sicherheit führen. Auch die Erfüllung der formalen Voraussetzungen, die der Gesetzgeber an eine Modernisierungsankündigung stellt sind genau zu prüfen: die Nennung der Art der Maßnahme, des Umfangs, des Beginns, der Dauer, des Betrags der zu erwartenden Mieterhöhung sowie der Änderung der Betriebskosten sowie die Rechtzeitigkeit der Ankündigung.

Bis zum Ablauf des Monats, der auf die Zustellung der Modernisierungsankündigung folgt, ist dem Vermieter (im Zweifel dem Absender der Modernisierungsankündigung) das Bestehen von Härtegründen anzuzeigen. Das können neben der oben geschilderten finanziellen Härte auch gesundheitliche Gründe, bevorstehende Prüfungen, eine Schwangerschaft oder bevorstehende Entbindung sein. Eine gute rechtliche Beratung und idealerweise der Zusammenschluss mit den NachbarnInnen bilden in dieser Phase des Mietkampfs eine wichtige Rückenstärkung.

WO KANN ICH HILFE BEKOMMEN?
Solltest du von einer Modernisierung betroffen sein, ist es sehr wichtig, keine Zeit verstreichen zu lassen. Lasse dich so schnell wie möglich von fachkundiger Stelle über die rechtliche Einschätzung der Rechtmäßigkeit und zum weiteren Vorgehen beraten! Ansprechpartner sind hier neben den lokalen FAU-Syndikaten RechtsanwältInnen für Mietrecht sowie die MieterInnenvereine.

Carola Handwerg
Rechtsanwältin

Quelle: Direkte Aktion 220, Nov./Dez. 2013

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