Samstag, 2. Juni 2007

Provokation und Schikanen

Vor dem G-8-Gipfel in Heiligendamm: Polizei fordert die Globalisierungskritiker heraus. Demoverbote, Grenzkontrollen und Checkpoints rings um die Protestcamps

Von Markus Bernhardt (erschienen in junge Welt 02.06., S. 3)

Demonstrationsverbote, Razzien und Polizeiübergriffe auf Globalisierungskritiker prägen die öffentliche Wahrnehmung im Vorfeld der Proteste gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm. Am Mittwoch abend bestätigte das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommerns das von der Polizei erlassene umfassende Demonstrationsverbot im Abstand von bis zu zehn Kilometern von dem skandalösen Sperrwall, der für das Mächtigentreffen um das Ostseebad Heiligendamm errichtet wurde. Geht es nach der Polizei, sollen bis Ende kommender Woche mehr als 40 Quadratkilometer demokratiefreie Zone bleiben. Gleichzeitig behaupten die Sicherheitsbehörden dreist, auf »Deeskalation« zu setzen.

Das Demonstrationsverbot markiere eine weitere Stufe des Demokratie- und Bürgerrechtsabbaus in der Bundesrepublik, konstatierte Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Bundestagfraktion Die Linke. am Freitag. Denjenigen, die Einspruch gegen das illegitime Treffen der G-8 erheben, werde damit jede Möglichkeit verwehrt, legal in räumlicher Nähe zum Protestobjekt zu demonstrieren. Gerade das sei jedoch, auch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes im sogenannten Brokdorf-Urteil, essentieller Bestandteil des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit. Jelpke sah sich aufgrund der Polizeimaßnahmen und Verbote rund um den G-8-Gipfel »an die Praktiken autoritärer Regime« erinnert.

Bereits seit Wochen setzen staatliche Stellen und Polizei auf einen offensiven Eskalationskurs, der potentielle Demonstranten einschüchtern und dazu bewegen soll, nicht an den geplanten globalisierungskrititschen Manifestationen teilzunehmen. Mittlerweile nehmen die polizeilichen Maßnahmen rund um den G-8-Gipfel immer skurrilere Züge an. So werden an mehreren mobilen Checkpoints der Polizei auf den Anfahrtswegen nach Rostock Fahrzeuge angehalten und nach Fahrrädern durchsucht. Angeblich auf der Suche nach Diebesgut, kontrollieren die Beamten die Rahmennummern und gleichen diese mit einer Datenbank ab. Am Donnerstag und Freitag wurden mehrere ältere Drahtesel und sogar Kinderfahrräder von den Beamten eingezogen, weil bei ihnen keine der heute üblichen Identifikationsprägungen gefunden werden konnten. Auch für die Behinderung des Campaufbaus in Wichmannsdorf durch die Polizei mußte der »begründeten Verdacht, daß bundesweit gestohlene Fahrräder nach Heiligendamm verbracht werden sollen« herhalten. Realistisch betrachtet dürfte das Ziel der neuerlichen Schikanen vielmehr darin bestehen, G-8-Gegner in ihrer Mobilität einzuschränken.

Der bayerische Innenminister Günther Beckstein behauptete am Donnerstag abend in der ZDFSendung »Maybritt Illner« unwidersprochen, an den Landesgrenzen würden keine Kontrollen durchgeführt. Am Freitag standen seine Beamten an den Zufahrtsstraßen aus dem Ausland und filzten jeden, der nach Globalisierungskritiker aussah.

Die strömungsübergreifende linke Rechtshilfeorganisation Rote Hilfe kündigte unterdessen an, im Rahmen der geplanten Proteste flächendeckend Informationen zu verteilen, um die Demonstranten über ihre Rechte gegenüber der Polizei aufzuklären. Von Ingewahrsamnahmen Betroffene sollten sich umgehend mit dem »Anwaltlichen Notdienst« und dem »Ermittlungsausschuß« in Verbindung setzen und gegen juristisch zweifelhaftes Vorgehen oder gewalttätige Übergriffe durch die Beamten vorgehen.




de.indymedia.org: Rostock: Zehntausende gegen G8


Zehntausende auf AntiG8 - Demo +++ Mehrere Tausend im “Black Block” +++ Polizei griff am Ende der Demo massiv Teilnehmer an +++ Polizei zog sich zurück Etwa 50.000 Demonstranten demonstrierten in Rostock - Zur Zeit läuft noch die Abschlusskundgebung


Nach Polizeiangaben versammelten sich etwa 30.000 Demonstranten in Rostock. Veranstalter geben eine deutliche höhere Zahl von etwa 50.000 an. Zunächst hielt sich die Polizei vornehm zurück. Im Verlauf der Demonstration provzierte sie jedoch zunehmend. Einheiten sprinteten immer wieder am Rand der Demo entlang. Auf Höhe einer Sparkasse zogen Beamten ein kleines Spalier auf. Nach Flaschenwürfen des “BlackBlock” zogen sie sich jedoch zurück.

Völlig eskalierte die Lage nachdem Hundertschaften, nach Augenzeugenberichten ohne wahrnehmbare Gründe, plötzlich den schwarzen Block angriffen. Die Polizei trieb die Demonstranten in das bereits stattfindene Konzert. Dutzende Menschen wurden in den daraus resultierenden Tumult umgerannt. Zu ernsthaften Verletzungen kam es nach ersten Berichten zwar nicht, jedoch äußerten viele Teilnehmer ihren Unmut über die Polizeitaktik. Beständig griffen Einheiten die Demo an. Dabei kam es jedoch weder zu größeren Anzahl von Festnahmen noch konnten die Demonstranten vertrieben werden. Stattdessen wurde (beabsichtigt?) eine Menge Unruhe und Krawallstimmung erzeugt. Mehrere Tausend Globalisierungkritiker beteiligten sich an den Ausschreitungen. Die Lage beruhigte sich erst, nachdem die Polizei sich zurückzog.


http://de.indymedia.org/2007/06/179924.shtml

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