Dienstag, 14. Januar 2014

Kein Werben fürs Sterben

Die Bundeswehr will bzw. wird im ersten Quartal des Jahres 2014 auf mehr als 800 Propaganda- und Werbeveranstaltungen präsent sein. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentische Anfrage der Linkspartei vom 6.12.2013, Drucksache 18/141 hervor.
Die Vielzahl der aufgelisteten Aktivitäten des deutschen Militärs sollen häufig der Rekrutierung von noch Minderjährigen dienen.
Seit einiger Zeit formiert sich breiterer gesellschaftlicher Widerstand. So haben sich 10 Schulen für „militärfrei“ erklärt. Auf der jährlich stattfindenen Berufsbildungsmesse in Bochum gab es Aktionen gegen die Kriegsdienstwerbung von 14/15-jährigen Kindern für die Kriege einer weltweiten Interventionsarmee, die von CDU, SPD, Grünen bis zu den liberalen Parteinen von FDP bis UWG im Bochumer Rat zugelassen werden. Die Initiative „Schulfrei für die Bundeswehr – Lernen für den Frieden“ bereitet für Ende dieses Monats eine Aktionskonferenz vor, die sich gegen „die Kooperationsvereinbarungen“, wie sie u.a. zwischen den Kultusministerien der Länder und der Bundeswehr, CDU/CSU und SPD, vereinbart wurden. Unterstützt wird die Initiative durch mehrere Gewerkschaften und Friedensinitiativen. Auch „Terres des Hommes“ kritisiert die Propaganda- und Werbeveranstaltungen der Bundeswehr und fordert den "Stopp jeder Art von militärischer Werbung und Rekrutierung bei Minderjährigen".


Die Bundeswehrpropaganda – Krieg als Spiel?
Die für Personalwerbung zuständigen „Karriereberater“ der Bundeswehr sollen rund 120 gewerbliche Messen und Ausstellungen, 200 Schulen und 140 bei den Arbeitsagenturen angesiedelte "Jobcenter" respektive "Berufsinformationszentren" durchführen, die sich meistens der Rekrutierung Jugendlicher für die deutschen Streitkräfte widmen dürften. 160 Auftritte der "Jugendoffiziere" der Bundeswehr sollen sich insbesondere mit der militärpolitischen Propaganda gegenüber Schülern befassen. Sie bieten unter anderem "sicherheitspolitische Seminare" im Rahmen des Politik- und Sozialkundeunterrichts an und organisieren das meist mehrere Tage dauernde Strategiespiel "POL+IS" ("Politik und Internationale Sicherheit"). Hierbei werden nicht zuletzt militärische Gewaltmaßnahmen simuliert - bis hin zur Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen (german-foreign-policy.com berichtete).


Zugang zu Schulen ist selbstverständlich?
Die Verbesserung der Akzeptanz einer Bundeswehr für weltweite Kriege ist ein Ziel des unlängst geschlossenen Koalitionsvertrages von der Regierungsparteien CDU/CSU und SPD. Wörtlich heißt es hier: "Die Jugendoffiziere leisten eine wichtige Arbeit bei der Information über den Auftrag der Bundeswehr. Wir begrüßen es, wenn möglichst viele Bildungsinstitutionen von diesem Angebot Gebrauch machen. Der Zugang der Bundeswehr zu Schulen, Hochschulen, Ausbildungsmessen und ähnlichen Foren ist für uns selbstverständlich.“(1)
Entsprechend sollen Schulen und Berufsbildungsmesse für Bundeswehrwerbung frei verfügbar sein,
um der Truppe zur global agierenden Interventions- und Besatzungsarmee Rechnung zu tragen, die ihren Personalbedarf nicht mehr aus Wehrpflichtigen, sondern Freiwilligen deckt.
Grundlegend hierfür ist wiederum die Akzeptanz von Militär und militärischer Gewalt bei der Bevölkerung im Allgemeinen und bei potenziellen Rekruten im Besonderen. Dafür will die neue Kriegsministerin, Mutter von sieben Kindern, den „Kriegsdienst familienfreundlicher gestalten“, um die Bundeswehr “im Kampf um die besten Köpfe“ “zu einem der attraktivsten Arbeitgeber in Deutschland“ zu machen.(2)


Die Jungoffiziere im bereitwilligen Gehorsam?
Die „Jungoffiziere“ der Bundesländer scheint es ebenfalls dringend geboten, die militärische Propaganda umzusetzen, um die von der Berliner Führung gewünsche Einstellung bei Schülern zu erzielen. So berichten sie in ihrem „Jahresbericht“, das "Internationaler Terrorismus oder Migration" von Jugendlichen "wenn überhaupt, nur abstrakt wahrgenommen" würden. Als "alarmierend" bezeichnen sie die "Reaktionen vieler Schülerinnen und Schüler auf die Vergabe des Friedensnobelpreises an die EU" im Jahr 2012: "Von Unverständnis bis hin zu Ablehnung und 'Wut' war fast alles vertreten." Das es sich bei der EU nach ihrer Auffassung um einen "Stabilitätsanker für Frieden und Sicherheit"handele, mussten sie der Zielgruppe erst „umfassend vermittel(n)“, heißt es. Gleichzeitig mussten die „Jungoffiziere“ feststellen, das die Vielzahl der agitierten Jugendliche das nationale Militärbudget „generell“ für „zu hoch“ einstuft und das Führen von Kriegen für den ungehinderten Zugriff auf natürliche Ressourcen ablehne: "Auch die Verdeutlichung des Zusammenhangs zwischen wirtschaftlicher Abhängigkeit und notwendigem sicherheitspolitischen Engagement änderte hieran nichts.“(3)

Schule ohne Militär (4)
Gegen die Bundeswehrpropaganda und -werbeveranstaltungen formiert sich seit einiger Zeit entschiedener Widerstand. Zehn Schulen haben sich für „militärfrei“ erklärt und erteilten jeglicher Zusammenarbeit mit den Streitkräften eine Absage. Drei dieser Schulen erhielten stellvertretend für das Bündnis „Schulen ohne Bundeswehr“ im vergangenen Jahr dafür den „Aachener Friedenspreis“. Es wäre begrüßenswert, wenn sich weitere Schulen bundesweit diesem Widerstand anschließen.
Entsprechend hat sich auch die Kinderrechtsorganisation „Terre des Hommes“ posioniert und fordert gemeinsam mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG-VK) ultimativ den "Stopp jeder Art von militärischer Werbung und Rekrutierung bei Minderjährigen": "Jedes Jahr erreichen alleine die Jugendoffiziere und Wehrdienstberater der Bundeswehr rund 300.000 bis 400.000 Schüler, darunter auch Kinder von gerade einmal elf Jahren. Doch die Werbung für Militäreinsätze widerspricht den Prinzipien der UN-Kinderrechtskonvention, die auch Deutschland unterschrieben hat."(5)
In diesem Zusammenhang weisen die Organisationen Eltern darauf hin, dass diese bei der Schule ihres Kindes eine „Befreiung" vom „Unterricht mit Beteiligung der Bundeswehr" aus Gewissensgründen beantragen können. Ebenfalls können Eltern/Erziehungsberechtige dem Einmeldewohnerämtern die Weitergabe der Adressdaten ihrer Söhne und Töchter an die Truppe untersagen, da andernfalls die Kinder im Alter von sechzehn Jahren automatisch ein "Werbeschreiben für den freiwilligen Dienst in den Streitkräften" erhielten. (6)

Kooperationsvereinbarungen
Die Kampagne „Schulfrei für die Bundeswehr - Lernen für den Frieden" plant für das Ende diesen Monats eine „Aktionskonferenz“ in der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart. Die Kampagne wird von mehreren Gewerkschaften und Friedensinitiativen unterstützt.(7)
Bei der Aktionskonferenz stehen im Mittelpunkt: die von mittlerweile acht Kultusministerien mit den deutschen Streitkräften geschlossenen "Kooperationsvereinbarungen", die "Jugendoffizieren" sowohl einen exklusiven Zugang zum Unterricht als auch eine Beteiligung an der Ausbildung von Lehramtsanwärtern garantieren . Die Initiatoren der Konferenz erklären, das man "mit geeigneten Aktionen und mit Nachdruck" für die "Kündigung" derartiger Verträge sorgen wolle. (8)

Informationen & Quellen:
(1) Deutschlands Zukunft gestalten. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD. 18. Legislaturperiode. Berlin 2013. 
(3)  Bundesministerium der Verteidigung - Presse- und Informationsstab: Jahresbericht der Jugendoffiziere der Bundeswehr 2012. Berlin 13.05.2013.
(5) Die Bundeswehr wirbt um Kinder; www.tdh.de.
(6) Bundeswehr an Schulen: Was können Sie tun? www.tdh.de.

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