Donnerstag, 28. Februar 2019

Inklusion – Eine Frage der Haltung

„Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg; wo er fehlt, sind viele Ausreden.“ Dieses Sprichwort wird mehr denn je durch das Eckpunktepapier „Neuausrichtung der Inklusion in öffentlichen allgemeinbildenden weiterführenden Schulen des Schulministeriums NRW unter Yvonne Gebauer vom Oktober 2018 bestätigt. Das Eckpunktepapier erlaubt es Schulen aus dem gerade erst beginnenden Prozess der Inklusion auszusteigen und gibt entsprechende Argumentationsmuster vor, sich als Lehrer nicht mit dem Thema auseinandersetzten zu müssen.

Ministerial abgesegnet: „Inklusion – Aber bitte nicht hier!“

Inklusion, ja – aber bitte nur auf Hauptschulen, Realschulen, Gesamtschulen, Gemeinschaftsschulen und Sekundarschulen, und bitte nicht auf Schulen mit einer gymnasialen Oberstufe.
Besser noch an wenigen Schwerpunktschulen in einem Stadtviertel, denn so heißt es im Eckpunktepapier, „es sei erforderlich, die vorhandenen Ressourcen gezielt einzusetzen“, um eine Qualitätssteigerung zu erlangen. Klar Text, anstatt neue Lehrkräfte anzuwerben oder Universitätsabsolventen einzustellen, soll bitte nur mit jenen gearbeitet werden, die bereits an Schulen vorhanden sind. Und da Sonderpädagogen ja an Förderschulen ausreichend vorhanden sind, belassen wir es doch bei dessen Existenz anstatt diese in den weiterführenden Schulen zu schicken. „Aus den Augen, aus den Sinn“ - heißt ja nicht umsonst in einem weitverbreiteten Sprichwort. Und wie in Deutschland üblich, wir haben das ja immer schon so gemacht.

So heißt es auch in jenen Papier, das von dem zuständigen Schulamt, den Eltern nun ja mindestens eine weiterführende Schule bei Notwendigkeit sonderpädagogischer Förderung vorschlägt und bei entsprechender elterlichen Entscheidung für eine Förderschule berät.
Um noch eine Hürde zur inklusiven Schule zu formulieren, wird von den Schulen nun ein Konzept verlangt, anstatt umgekehrt verschiedene Wege aufzuzeigen, wie gemeinsamer Unterricht nun geht und entsprechende Schulungen stattfinden zu lassen. Die Inklusionsbegleiter einzubinden als auch notwendiger Weise die Ausbildung von Lehrkräften zu überdenken. Denn diese werden nach wie vor zur Einzelkämpfer anstatt Teamplayer ausgebildet. Vielleicht auch mal in Erwägung zu ziehen, dass das dreigliedrige Schulsystem überholt ist und den Anforderungen des 21. Jahrhundert nicht mehr standhält. Aber mit solchen Überlegungen, würde man ja die nach wie vor die vorhandene „Konkurrenzgesellschaft“ in Frage stellen oder einen anderen gesellschaftlichen Entwurf gar favorisieren. Das Kooperation zu einem besseren gesellschaftlichen Klima oder wissenschaftlichen Fortschritt führen könnte, insbesondere in einer alternden, gar nicht auszudenken.

Verweigerung statt originellen Verhalten

Immer mehr Gymnasien steigen aus der Inklusion aus, da ihnen das Geld fehlt oder die Lehrer nicht zieldifferent unterrichten wollen. Stattdessen soll zielgleich der Unterricht erfolgen, als ob man in der fünften bereits wirklich das Abitur als Ziel setzen könnte. Aber wem gilt die Verweigerungshaltung der Gymnasien aus der Vielzahl inklusiver Kinder aufzunehmen wirklich?
Es geht nicht um körperlich eingeschränkte Schüler, das kann ja schließlich jedem blühen, wäre gegebenenfalls auch mit Umbauten verbunden oder Hilfemaßnahmen. Aber das Kind würde sich schließlich kooperativ verhalten.
Es geht viel mehr um Schüler mit „originellen Verhalten“. Also Schülerinnen mit zum Beispiel durchaus emotionalen Probleme, Legasthenie oder Dyskalkulie. Vor allem Schüler mit emotionalen Probleme, die den Unterricht im Sinne eines Wissensvermittler- denn von Pädagoge ist als Gymnasiallehrer wenig übrig, wurde man ja schließlich in beiden erlernten Fächer als Quasiwissenschaftler ausgebildet – sollen das teils monotone Singsang nicht stören. Gut, es gibt wenige, die abwechslungsreich ihren Unterricht gestalten, indem sie sich selbst fortbilden, aber es entspricht nicht der Grundhaltung, das Schüler sich dem Lehrkörper anzupassen haben anstatt der Lehrer schaut was, wie und mit welchen Hilfsmittel die Entwicklung des jeweiligen Schülers in den Fächern befördert werden könnte. Es wird davon ausgegangen, das Kinder wie ein Trichter lernen, indem man wie mit einer Gießkanne das Wasser/Wissen eintrichtert. Nur das es nicht funktioniert und entsprechende Störungen vorprogrammiert sind. Von Stifte tippeln, Papierknöllchen, Zettelchen schreiben, eventuell auch Fragen stellen, auf dem Stuhl wippeln, da man ja schließlich schon drei Stunden ruhig sitzen musste, verbale Frustration, die sich im Laufe der Zeit den Weg bahnt, sind Schüler sehr erfindungsreich, wenn Unterricht langweilt und nicht nur die, denen originelles Verhalten nachgesagt wird und sich schnell ablenken lassen. Im Übrigen sind Schüler, denen teils ADHS nachgesagt wird, teils hochintellektuell und vor allem sehr schnell Aufnahme fähig, wenn der Lehrer einen Weg findet, zu ihnen durchzudringen und die Konzentration auf die Aufgabe gelingt. Ja, sie können andere ablenken, aber werden auch von den anderen im Klassenraum schnell abgelenkt, da sie eben alles ungefiltert wahrnehmen. Letztendlich wird großes Potential verschenkt, wenn nicht individueller Unterricht für jeden Schüler organisiert wird.
But not least, haben in NRW die Gymnasien und teils auch andere weiterführenden Regelschule mit ministerialen Segen unter anderen in Essen, Wuppertal und Herne der Inklusion den Rücken zu gekehrt.

Zum Vorwurf: „Inklusion funktioniert nicht mit der Gießkanne“ von Dieter Cohnen (Quelle: watson)“
Angeblich wäre unter Rot-Grün die Inklusion eine Politik unter dem Holzhammer gewesen und nicht im Interesse der Kinder mit Handicap, also eine verantwortungslose Inklusion, meint Cohen, dessen Verband über 450 Gymnasien vertritt. Und fügt hinzu, das er eine zielgleiche Inklusion befürworte, denn zieldifferent würde zum Abbruch der Bildungskarriere führen.
Zum einen kam die Inklusion nicht vom Himmel gefallen, wie viele der Vertreter der Selektion es gerne formulieren, sondern es gab bereits in den 70er Jahren entsprechende Empfehlungen. Ein Beschluss der Kultusministerkonferenz von 1972 und Empfehlungen des Deutschen Bundesrates von 1973 befürworteten den „gemeinsamen Unterricht“ behinderter und nicht behinderter Schüler. In NRW gab es entsprechende Versuche, die in zwei Abschnitten durchgeührt wurden: 1981 bis 1989 sowie von 1989 bis 1993 (siehe: Schulversuch Gemeinsamer Unterricht in der Sekundarstufe I).
In diesen Versuchen wurden Kinder aller Behinderungsarten gemeinsam mit so genannten „nicht behinderten“ Kinder unterrichtet. Die Versuche wurden von allen Beteiligten durchweg positiv beurteilt.
In der vom 7. bis 10 Juni 1994 UNESCO-Konferenz Pädagogik für besonderer Bedürfnisse: Zugang und Qualität in Salamanca (Spanien) war das ihr Hauptergebnis die „Salamanca-Erklärung“ mit der Nennung der Inklusion. Die Erklärung kann als wichtiger Meilenstein der internationalen Bildungspolitik und in der Folge ein erster internationaler Rahmen für ihre Umsetzung gesehen werden.
„Das Leitprinzip, das diesem Rahmen zugrunde liegt, besagt, dass Schulen alle Kinder, unabhängig von ihren physischen, intellektuellen, sozialen, emotionalen, sprachlichen oder anderen Fähigkeiten aufnehmen sollen. Das soll behinderte und begabte Kinder einschließen, Kinder von entlegenen oder nomadischen Völkern, von sprachlichen, kulturellen oder ethnischen Minoritäten sowie Kinder von anders benachteiligten Randgruppen oder -gebieten.“
Schließlich verpflichteten sich die Unterzeichnerstaaten in den 2006 beschlossenen UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ein inclusive education system(engl., dt. inklusives Bildungssystem) zu errichten, in dem der gemeinsame Unterricht von Schülern mit und ohne Behinderung der Regelfall ist.
Um nur einige Daten zur ach so mit dem „Holzhammer“ erfolgten Inklusion zu nennen.


Was ist normal? Was nicht? Der Normalfall ist hierzulande noch immer die Aussonderung. Oder die Verweigerung der Politik bei dem Gelingen der Inklusion beizutragen. 
Nicht zu unrecht, kritisieren Lehrer laut Umfrage des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) aus dem Jahr 2017, die Bedingungen für die Inklusion und bewerten daher für sich diese als Prozess eher negativ, da die Rahmenbedingungen nicht erst durch die inklusiven Kinder eher bescheidener sind, sondern auch ohne diese. Denn Deutschland will nicht angemessen in Bildung, d.h. in die Zukunft investieren. So fehlen Fachkräfte, Räume, Ausstattungsmaterialien und Fortbildungsmöglichkeiten. Und da man keine entsprechende Ausbildung erhielt, plädiert man teils für den Erhalt der Förderschulen.
Würde man Kinder hingegen fragen, die mit einem oder mehreren inklusiven Kinder das Klassenzimmer teilen, würden diese das Inklusive nicht mal als jene/s identifizieren. Davon abgesehen, das Teamteaching in Klassenräume wünschenswert wäre. Oder auch Schulen, die zum Leben und Lernen einladen statt auszusehen wie ein Gefängnis für noch minderjährige Übeltäter, die nichts anderes im Sinn haben, Kinder Zeit zu stehlen und diese kaputt zu zerbilden, um das was Adorno einst nannte, Halbgebildete schließlich hervorzubringen.

Was braucht man nun für eine gewollte Inklusion?
1. Wille von den Leuten, die gemeinsames Lernen von Kindern ob normal oder aber auch nicht befürworten, von dem Umfeld, Eltern, Politik
2. Geld
3. Umbau der Schulen und Schulen als „Lebens-und Lernort“
4. Kleinere Lerngruppen (max. zehn Schüler), um Kinder tatsächlich individuell zu fördern
(In diesem Sinne „Förderschulen“ für alle, denn jeder hat Stärken und Schwächen.)
5. barrierefreie Zugänge zu den Räumen, denn eventuell könnte jemand im Rollstuhl mal sitzen, tzzz auch wenn derjenige eventuell vorher laufen konnte. Ein Unfall kann jeden treffen.
6. Zeit und Wille sich schlau zu machen, sei es durch Fortbildungen, auch ein Kollege kann Themen vorstellen und Diskussionen einleiten.
7. Umbau des Studiums von Lehrer, mehr Pädagogik. Ein Lehrer braucht kein Pseudowissenschaftler sein sondern Pädagoge, Erkenntnistheoretiker und sehr guter Wissensvermittler. Lehrer brauchen das Wissen, wie, was und mit welchen Mitteln sie Inhalte eines Faches aufarbeiten können, um Schülern den Stoff beim Erschließen zu vereinfachen. Und sie brauchen Ideen wie sie die verschiedenen Lernstile ansprechen, genauso unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten berücksichtigen, wie z.B. mit einer Binnendifferenzierung, Aufgabenstellungen, die verschiedenen Bearbeitungsgeschwindigkeiten berücksichtigen und so weiter. Moderne Schulen stellen den Schüler in den Mittelpunkt.
8. Den „lernenden Lehrer“, denn manches ist einfach „tu es oder lass es“, es gibt nicht das eine Konzept das auf jeden zutrifft, sondern manches ist einfach ausprobieren und das manchmal auch und gerade mit den Schülern gemeinsam
9. Die Politik zu bewegen, entsprechende Gelder locker zu machen, mit Eltern gemeinsam ….
10. Schließung der Förderschulen oder Umbenennung aller Schulen dazu ...
11. Bildung braucht Zeit, Einführung des Abis nach der 13. Klasse und bitte kein "Zentralabi"

Autor: lil

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