Digitalisierung der Schulen ist in aller Munde. Angeblich lernt es sich viel besser am Rechner als an der Kreidetafel. Wir erinnern hingegen an ein Prinzip der Hightechsparte schlechthin, der Luft- und Raumfahrt.
Wie perfekt kann man irgendetwas
machen?
“KISS – Keep it simple, stupid”
war der Legende nach der Marschbefehl, den Ed Heinemann seinen
Ingenieuren gab.
In den 1950er Jahren, mit Erfahrungen
aus dem Korea Krieg, hatte die US Navy erkannt, dass ihre letzten
Kampfflugzeuge mit Kolbenmotor und Propeller doch überholt waren. An
der Ausschreibung für den neuen Kampfjet beteiligte sich auch
Heinemann‘s Arbeitgeber, die Douglas Aircraft Company, und gewann.
„Heinemann‘s Hot Rod“ (ein Hot
Rod war seinerzeit ein aufgemotztes Auto) ist der Spitzname, den die
Douglas A-4 Skyhawk bekam. Die A-4 war klein, aber gemein,
überraschend vielseitig – und sehr einfach gebaut.
Wenn auf ein Flugzeug geschossen wird
kann schon mal was kaputt gehen. Zum Beispiel die Hydraulik, die das
Fahrgestell ausfährt. Bei den meisten Flugzeugen ist eine Landung
ohne Hydraulik also eine gefährliche Rutschpartie. Eine Landung auf
einem Flugzeugträger, derweil, ist ohne Fahrgestell meist unmöglich.
Um solche Probleme zu vermeiden könnte
man die Hydraulik extra panzern, oder gleich ein zweites
Hydrauliksystem einbauen.
Aber Heinemann‘s Hot Rod bekam
stattdessen ein Fahrgestell, dass nach hinten ausklappte, und hinter
so schwachen Luken steckte, dass diese dessen Gewicht nicht halten
konnten. Der Pilot löste nötigenfalls nur eine Verriegelung, und
nachdem das Fahrwerk die Luken von innen aufgebrochen hatte, wurde es
vom hunderte km/h schnellen Luftstrom in Position gedrückt. Ganz
einfach, ohne Hydraulik.
Und falls das nicht im Sinne des
Piloten war, konnte die Skyhawk auch auf den zwei Abwurftanks landen,
mit denen sie üblicherweise über dem Ozean unterwegs war. Die waren
ohnehin zum wegwerfen gemacht, und mit denen als Knautschzone trug
der Flieger von der Bauchlandung nur geringen Blechschaden an der
Nase davon, eine Bagatelle. Einfach. Perfekt.
Einfache Technik hält nicht nur
länger, und ist einfacher zu reparieren. Mann kann sie auch
einfacher umbauen und modernisieren. Mit soviel neuer Elektronik
etc., dass die A-4 glatt einen neuen Namen braucht (z.B. die
„Fighting Hawk“ für Argentinien). Aber die moderne Elektronik
steckt auch da immer noch in Heinemann‘s Hot Rod. Und fliegt in
einigen Ländern bis heute, gute 65 Jahre, nach dem Erstflug des
Typs.
Während die A-4 lange nicht mehr im
US Dienst steht fliegt eine andere Maschine der gleichen Generation
immer noch für die US Air Force.
Die letzte B-52 wurde 1962
ausgeliefert. Tatsächlich gibt es in den heutigen Besatzungen dieser
Bomber einige Soldaten, die mit der selben Maschine fliegen, wie ihre
Väter und sogar Großväter vor ihnen. Die Truppe nennt ihren
Flieger liebevoll BUFF. „Big Ugly Fat F****r“.
Wie die A-4 ist auch die B-52 so
einfach, dass man sie umbauen kann. Moderne Elektronik hat sie
natürlich längst, bald soll sie neue Triebwerke kriegen.
Offiziell heißt es von der USAF, dass
man „damit rechnet“, die B-52 tue ihren Dienst „bis in die
2050er Jahre“. Immer wenn bisher jemand eine genauere Vorhersage
machte wurde er von der B-52 blamiert. In einem Witz heißt es, wenn
die gerade eingeführte F-35 veraltet und verbraucht ist, und mit
großer Zeremonie ausgemustert wird. Macht die Flugschau zum Abschied
eine BUFF.
Wenn man sich bewusst macht, wie lange
also Amerikanische Flugzeuge im Einsatz bleiben können, wie robust
die sein müssen, überrascht vielleicht, was man auf amerikanische
Militärflugplätze und Flugzeugträgern sehen kann.
In der Regel täglich sieht man eine
lange, lange Reihe von Soldaten, die Seite an Seite das gesamte
Flugfeld und sogar die ganze Länge der Rollbahn entlang gehen, die
Augen auf dem Boden fixiert. Man sucht nach „foreign objects“,
die „foreign object damage“ verursachen können.
Die
Ansaugöffnungen, durch die die Triebwerke von Kampfjets atmen, sind
in der Regel (zu den Ausnahmen gehören
natürlich die A-4 und B-52)
sehr viel näher am Boden, als bei den meisten Passagiermaschinen. So
können sie im Flug engere Kurven fliegen, ohne das dem Triebwerk die
Luft ausgeht. Aus perfekte Leistung optimierte Maschinen.
Es braucht nicht
mal annähernd Vollgas, damit so ein Triebwerk einen ausgewachsenen,
unvorsichtigen Menschen
ansaugt und
verschlingt. Ein
Steinchen, oder ein kleines Stückchen Metall, die am Boden liegen,
werden aufgesaugt wie Bier vor der Sperrstunde.
Dabei werden die foreign objects mit
soviel Kraft angesaugt, wenn eine vergleichsweise weiche Schraube aus
Stahl im Triebwerk auf eine Titanlegierung trifft, dann hinterlässt
sie einen tiefen Abdruck, in dem man sogar das Gewinde erkennen kann.
Bei Drehzahlen,
die in zehntausenden U/min
gemessen werden, ist die kleinste Macke eine lebensgefährliche
Sollbruchstelle. Was passiert, wenn ein Kompressorblatt abreißt,
zeigte im letzten Jahr Southwest Flug 1380 über
Pennsylvania. Obwohl
zivile Triebwerke gebaut werden, um bei katastrophalem Versagen kein
Schrapnell zu werfen, durchbohrten Trümmer des
zerrissenen Triebwerks die Kabine, es gab
Verletzte und eine Tote.
Die Soldaten, die Seite an Seite die
Rollbahn abgehen gucken also mit gutem Grund ganz genau hin. Der
Flugplatz ist für das Flugzeug, das perfekte Flugzeug, nicht
umgekehrt.
Damit das perfekte Flugzeug ewig hält
braucht es einen perfekten Flugplatz. Sauber, und täglich gesäubert.
Anders hält man es
in Russland, und in
anderen ehemaligen Ostblock-Staaten
oder Sowjetrepubliken.
Die porentief-reinen Rollbahnen,
die man von NATO Flugplätzen gewohnt ist, gibt es hier nicht. Auch
marschieren keine Soldaten täglich kilometerlange
Pisten ab. Schrott bleibt lang genug
liegen, um zu verrosten, zwischen den
Betonplatten der Rollfelder wächst gerne schon mal Gras.
Ostblock-Triebwerke
sind nicht etwa immun gegen Fremdkörper. Vielmehr beschlossen die
sowjetischen
Entwickler vor Jahrzehnten, dass
im Krieg Sachen kaputt gehen, ein steriles Flugfeld also illusorisch
ist.
Rollt eine MiG oder Sukhoi am Boden
entlang sind die Ansaugöffnungen in Bodennähe durch Klappen
geschützt, geatmet wird von oben. Wo alles, was angesaugt werden
könnte, Federn hat.
Hört man dieses vermutet man leicht,
Flugzeuge aus dem Ostblock müssen ja mindestens so unkaputtbar sein,
wie Amerikanische, und so lange halten.
Tatsächlich aber
wurden Kampfflugzeuge in der UdSSR für sehr viel kürzere
Lebensdauern
entwickelt, als im Westen.
Diese
Lebensdauer misst sich in Flugstunden, und ihre Länge hängt von der
Materialermüdung ab, die durch den Flugbetrieb entsteht. Wobei die
B-52 und A-4 scheinbar wiederum Ausnahmen darstellen.
Für solchen Flugbetrieb fehlte nach
dem Zerfall des Warschauer Pakts vielerorts einfach das Geld, wodurch
Maschinen aus dem kalten Krieg bis heute im Dienst sind.
Einige Typen werden
währenddessen immer weiter repariert und geflickt, fliegen
weit länger als die Entwickler vorgesehen
hatten – eben weil man sie reparieren und flicken kann.
Sowjetische/russische
Technik ist bei
uns oft mit einem Ruf der Unkaputtbarkeit behaftet. Dinge wie eine
AK-47, und besonders die,
sollen doch ewig halten, gerade weil sie so einfach gebaut sind.
Das stimmt nur zur
Hälfte. Wenn heute ein Kämpfer in
Afghanistan mit der
gleichen
Kalaschnikow schießt, wie vor ihm sein Vater, dann weil die meisten
Teile daran vom Dorfschmied
mit dem Hammer repariert werden können. Wenn
im Osten auch nicht alles für die Ewigkeit gebaut wurde – was
hält, hält oft,
weil es sich einfach reparieren lässt. Mit dem Hammer.
Darin haben einige den fundamentalen
Unterschied zwischen östlicher und westlicher Technik
diagnostiziert. Manche haben diesen auf andere Bereiche übertragen,
als Unterschied der grundsätzlichen Einstellung.
Perfektion, die ewig hält, wenn sie
perfekt behandelt wird, oder (und?) perfekt simpel ist – und auf
der anderen Seite etwas, dass gar nicht perfekt sein muss, eben weil
man es einfach reparieren kann. Und gegebenenfalls ohnehin nicht so
lang durchhalten muss, bevor etwas neues kommt – aber eben, falls
nötig, falls das neue doch nicht kommt, doch weiter durchhalten
kann. Weil es so einfach gebaut ist, so einfach zu reparieren ist.
Schlussendlich kann man den russischen
Ansatz am Beispiel der sowjetischen Flagge zusammenfassen.
Viele Glauben, Hammer und Sichel
sollen die Einheit von Arbeitern und Bauern demonstrieren. Das stimmt
so nicht. Jene Einheit muss nicht extra vorgezeigt werden.
Vielmehr sehen wir da einen Hammer,
der eine Sichel repariert.
Autor: "DerG"
Autor: "DerG"
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